In den letzten Wochen sorgte eine Ruderin für ziemlich viel Aufruhr. Sie wurde von den Olympischen Spielen ausgeschlossen, weil ihr Lebensgefährte rechtsradikal war oder noch ist. Zugegeben, wer 5 Jahre mit einem (ehemaligen) Neonazi zusammen lebt, muss sich entweder absolut nicht um politische Themen und Einstellungen kümmern, oder er muss das rechte Gedankenschlecht doch zumindest tolerieren.
Trotzdem: Nadja Drygalla selbst ist nichts nachzuweisen, was irgendwie rechts geartet wäre. Keine Äußerungen, keine Verhaltensauffälligkeiten, nichts. Insofern ist es doch nicht fair, sie für ihren Partner zu bestrafen. Denn, wie Martenstein es in seiner dieswöchigen Kolumne erklärt: Im Rechtsstaat wird man nur für sein eigenes Handeln verantwortlich gemacht; nur in einer Diktatur werden auch die Lebenspartner mitbestraft.
Wir sollten hier also unsere eigenen (Vor-) Urteile noch einmal überdenken- auch wenn es schwerfällt.
Ich selbst war einmal ziemlich kompromisslos beim Thema Neonazis. Überspitzt gesagt: Hast du dich mit einem von „denen“ unterhalten, warst du für mich schon fast ein Freund von ihnen. Das war dumm, das weiß ich heute. Genauso weiß ich, dass es dumm ist, die rechten Mitläufer (und ich meine nur die) auszugrenzen, statt sie aufzuklären und einzugliedern. Würde man Jugendlichen zuhören, die zur Rechtsradikalität neigen, statt sie fortzuschicken, dann würden vielleicht aus den Uwe Böhnhardts und den Beate Zschäpes keine Rechtsterroristen werden. Die Lebensgeschichte von diesen beiden und vielen anderen Neonazis ist doch so ähnlich, dass die Parallelen geradezu schmerzen, wenn sie einem ins Auge springen.
Immer wieder handeln diese Geschichten von sozialer Ausgrenzung, emotionaler Kälte, Perspektivenlosigkeit. Immer wieder finden genau diese aufgegebenen Jugendlichen Halt in Gruppen, die ihnen Zugehörigkeit und Miteinander versprechen. Immer wieder sind ebendiese Gruppen jene, die solche Jugendlichen als leichte Opfer einfach zu ködern verstehen, indem sie sie gleichmachen und ihnen ihre Liedchen vom gemeinsamen Widerstand, familiärem Zusammenhalt und der Chance auf Rache an der Gesellschaft trällern, so lange, bis ihnen bedingungslos geglaubt und hinterhermarschiert, bis blind gehorcht und die Klappe gehalten wird.
An jener Stelle fühlen wir alle uns unwohl. Doch genau hier müssen wir uns entscheiden, ob wir die strauchelnden jungen Menschen weiter weg vom Steg und hinein in den braunen Tümpel treiben lassen, oder ob wir sie ans Land holen und ihnen zeigen wollen, dass es auch andere Wege gibt und sie woanders als im braunen Sumpf Halt finden können, um normal und gemeinschaftlich Seite an Seite miteinander zu leben.
Ich persönlich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Ausgeschlossene und Verzweifelte existieren, die nur im braunen Hass eine Hoffnung sehen.