Wahre Liebe
Als ich gebeten wurde einen Beitrag für diesen Adventskalender zu schreiben, war ich erst einmal skeptisch. So ein „Auftragsschreiben“ – kann ich das überhaupt? Noch dazu zum Thema Weihnachten? Aber ich war auch stolz überhaupt gefragt worden zu sein, und so schloss ich es nicht von vornherein aus. Das Thema wollte ich aber nicht erzwingen, es sollte sich in meinem Apothekenalltag ergeben – oder auch nicht. Und es hat sich ergeben…
In unserer Apotheke gibt es ein altes Kundenehepaar, das ich schon von Kindheit an kenne, da sie die Gartennachbarn meiner Eltern sind. Die zwei sind freundliche, herzliche und ruhige Leute. Beide ein wenig altmodisch aber stets höflich, sie möchten niemandem zur Last fallen. Auch wenn der Weg in die Apotheke manches mal für die beiden alten Leute beschwerlich war nahmen sie unser Angebot ihnen die benötigten Medikamente zu liefern nur in Anspruch wenn es gar nicht anders ging. Vor 3 Jahren verloren die beiden ihre einzige Tochter, was besonders der Frau einen Schlag versetzte, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte, sie wurde pflegebedürftig. Ihr Ehemann, der selbst körperlich an seiner Grenze war, tat alles dafür, sie zuhause zu pflegen. Der stille aber humorvolle Herr wich nie von ihrer Seite, versorgte sie so gut er konnte selbst und nahm nur einen häuslichen Pflegedienst in Anspruch. Ins Heim sollte seine Helene niemals kommen, nicht so lange er noch irgendwie Kräfte zusammenfinden konnte. Die beiden waren früher schon eine starke Einheit, und der Tod der Tochter hatte sie noch fester zusammenstehen lassen. Nun gab Hans alles für seine geliebte Frau, doch er wurde dabei immer schwächer und so unendlich müde. Manchmal sprach er davon wenn er Medikamente holte, nicht um sich zu beklagen, sondern um sich zu erleichtern. Auch unser Lieferdienst wurde immer häufiger benötigt weil er die 400 Meter zu uns nicht immer schaffte. Seine große Angst war immer, dass er seine Helene doch irgendwann in ein Heim geben müsste, denn er meinte sie würde dort nur leiden. Vor ein paar Tagen kam die Nachricht zu uns, dass er einen Schlaganfall erlitten hat, die Pflegerin seiner Frau hat ihn abends bewegungsunfähig vorgefunden und einen Krankenwagen gerufen. In der
Klinik lag er im Wachkoma und niemand wusste wie es weitergehen würde. Helene starb vier Tage später zu Hause. Vielleicht konnte sie einfach nicht gehen, solange er an ihrem Bett saß? Vielleicht wollte sie ihm diesen Verlust nicht zumuten nach über 60 Jahren Ehe… Ihr Hans hat sie auch im Tod nicht verlassen, denn er folgte ihr keine Woche später nach. Keiner der beiden hat also jemals vom Tod des anderen erfahren. „Irgendwie haben die beiden sich berührt“ sagte meine Kollegin Sandra als sie es erfuhr, und sie hat Recht. Es war eine stille, aber eine große Liebe, die sich hier vollendet hat. Und was passt besser zum Fest der Liebe als eine solche Geschichte?
Ein „gefällt mir“ zu drücken erscheint mir nicht die richtige Reaktion. Du hast ein sehr bewegendes Erlebnis sehr eindrücklich erzählt. Vielen Dank dafür!
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Wundervoll. Eine so starke Liebe zu finden ist wohl das schönste Geschenk, das man sich wünschen kann.
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Uh,
berührend.
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