Fluch und Segen moderner Technik

Schon wieder ein Monat rum seit dem letzten Beitrag. Time flies!

Was gibt es Neues im Mäuseheim?
Nun, zum einen ist Mr. English seit letztem Wochenende wieder in England, um seinen Abschluss zu machen. Er ist etwa anderthalb Monate lang weg und wenn er wieder kommt, dann bleibt er für immer. Das ist eine tolle Aussicht. Und doch leide ich sehr unter der Trennung auf Zeit. Er fehlt mir sehr, ich bin bis auf wenige Stunden in der Woche alleine und der Alltag mit großer Kugel ist alleine auch echt schwer zu wuppen. Nach einem langen tränenreichen Gespräch mit der Therapeutin geht es mir allerdings sehr viel besser und ich kann mich endlich wieder aufraffen, statt im Bett zu sitzen und zu heulen. Ist gar nicht so lange, eigentlich. Und ich bin mächtig stolz auf Mr. English, denn was er jetzt in kurzer Zeit geschafft hat ist wirklich bewundernswert. Zudem hat er bald einen Uniabschluss und das ist wirklich toll!

Ich hoffe allerdings inständig, dass das Kind sich geduldet, bis Daddy wieder hier ist.

tribal, Trennung, Absatz

Zwischenzeitlich hatte ich wegen des Mäuschens sehr große Sorgen. Vor etwa zwei Monaten waren wir zur Feindiagnostik bestellt. Leider wurde dort eine Auffälligkeit gefunden.  Nichts Lebensbedrohliches, aber eben doch eine Auffälligkeit. Es wird ein normales Leben ohne Einschränkungen möglich sein, wir müssen eben nur hin und wieder zur Kontrolle.

Die Feindiagnostik selber war ein sehr unangenehmes Erlebnis, über das ich vermutlich einen eigenen Beitrag schreiben werde.

Vor Kurzem erhielt ich die endgültige Auswertung des Gentests – und ich war geschockt! Aufgrund einer Normabweichung in der Schwangerschaft bestehe statistisch ein 20%iges Risiko für Fehlbildungen beim Kind. Das heißt nicht, dass mein Kind das haben muss, doch die Erfahrung zeigt eben, dass das bei einem Fünftel mit jener Abweichung während der Schwangerschaft so auftritt.

Sorry, aber: SIND DIE BESCHEUERT???
Ja, ich möchte über mögliche Risiken und Probleme aufgeklärt werden, aber nicht in einem Brief verdammt nochmal! Nicht bei solchen Nachrichten! Wäre es wirklich so schwer gewesen, mich vor Zustellung noch einmal zu kontaktieren, mich einzuladen oder wenigstens am Telefon aufzuklären? Ist man wirklich so abgestumpft im Labor, dass man meint, sowas per Brief mitteilen zu können, ohne dass werdende Eltern darüber durchdrehen, in Panik geraten, sich höllische Sorgen machen?!

Die Scans waren alle in Ordnung bisher, es gibt theoretisch keinen Grund zur Sorge, aber dieser Brief hat jede Sicherheit und alle guten Gedanken zerstört. Da wo ich einst dachte, dass ansonsten alles in Ordnung ist, sitzt jetzt ein riesiger grauer Fleck voller Sorge und der Frage, ob da noch etwas ist, ob noch etwas kommt, ob das Kind normal leben kann, eine OP brauchen wird, ein Spenderorgan. Ich frage mich sogar manchmal, ob es im Falle des Falles überhaupt lebensfähig ist. 20% sind eine verdammt hohe Wahrscheinlichkeit. Das wird mich begleiten und mir Angst machen, bis ich mein Kindlein in den Armen habe. Dieser Brief hat mir die Möglichkeit genommen, mich in Ruhe vorzubereiten, mich mental darauf einzustellen, bald Mutter zu sein, denn alles woran ich denken kann ist: kommt da noch was?

Tribe2

Und hier ist die Crux der modernen Diagnostik. Man kann fast alles untersuchen, herausfinden, vieles entdecken, was man bis vor wenigen Jahren erst nach der Geburt oder möglicherweise nie entdecken würde. Das kann Sicherheit geben – oder aber jegliche Sicherheit nehmen. Das Recht auf Nichtwissen ist ein wichtiges und bedeutendes Recht. Jeder, der vor der Entscheidung einer Untersuchung steht, sollte sich sehr genau überlegen, welche Konsequenzen und Risiken ein mögliches Ergebnis für den weiteren Verlauf bedeutet. Ich kann nicht sagen, ob ich es lieber nicht gewusst hätte.

Ja, wir sind jetzt vorbereitet auf das, wovon wir wissen und es hat die eine oder andere Entscheidung beeinflusst. Doch ich werde den Rest der Schwangerschaft nicht unbeschwert genießen können. Das, was mit Sicherheit feststeht, ist gut zu wissen und ob ich es jetzt oder später erfahren hätte, würde nichts daran ändern, dass es so ist. Daher finde ich es okay das zu wissen. Doch Wahrscheinlichkeiten, Risiken, Ungewissheit sind Dinge, die Sorgen machen und Ängste schüren. Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten kann, eben weil sie ungewiss sind.

17 Kommentare zu „Fluch und Segen moderner Technik

  1. Man hat sich sein Kind noch nie aussuchen können. Zur wichtigsten Lektion werdender Eltern gehört: Von jetzt an geht es nicht mehr nach dem eigenen Kopf. Das macht Eltern oft anders, weitsichtiger, toleranter, auch und gerade wenn ein Kind sich entschieden hat, nicht gesund zu sein. Aber früher – ohne die ganze Diagnostik – war es auch einfacher: man musste nehmen, was kam, und jeder wusste es.
    Nun, ich habe eben in meine Kristallkugel geguckt und gesehen: Ihr werdet eine glückliche Familie sein. Ich wünsch euch alles Gute! 🙂

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    1. Es stimmt durchaus, dass man als Eltern eben keine Kontrolle darüber hat, wie das Kind sich -vor wie nach der Geburt- entwickelt.
      Jedoch bin ich über die Formulierung gestolpert „wenn ein Kind sich entschieden hat, nicht gesund zu sein.“ Entschuldige, aber das finde ich eine ganz furchtbare Formulierung. Ein Kind sucht sich nicht aus, krank zu sein. Es trifft keine bewusste Entscheidung. Es ist einfach so – manchmal hat das konkrete Gründe und manchmal, da ist das eben wahlweise Zufall oder Schicksal, je nachdem woran man glaubt.

      Dennoch danke für die guten Wünsche. Ich freue mich darauf, das Mäusekind im Arm halten zu können, sicher und geborgen. 🙂

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      1. Tut mir Leid, Nickel, dass ich dich mit meiner Formulierung getroffen habe, das wollte ich ganz und gar nicht.
        Ich sage sowas manchmal, weil das meine Sicht wiedergibt, dass vieles im Leben vorherbestimmt ist. Zum Beispiel, dass ein Kind sich seine Eltern aussucht. Ich kann mir vorstellen, dass es eine Art Seelen-Pool gibt, auf der manche auf eine Wiedergeburt warten, weil sie noch nicht alle Aufgaben erfüllt haben, die sie (oder die Eltern) brauchen für eine vollständige Entwicklung. Das sind vielleicht Hirngespinste, aber jede Art von Religion ist das im Prinzip auch.
        Das also zu meiner Gedankenwelt, aber die muss natürlich nicht deine sein, deshalb war der Satz von mir unglücklich gewählt. Ich bitte dich um Entschuldigung, und wünsche dir und deinem Kind von Herzen alles Gute. 🙂

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      2. In Ordnung, da haben wir einfach verschiedene Sichtweisen. Danke für die Entschuldigung, ich weiß das zu schätzen. Und danke noch einmal für die guten Wünsche. Ich nehme alles Glück, da sich kriegen kann und schenke es meinem Kind. 🙂

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  2. Versuche oft daran zu denken, daß die Wahrscheinlichkeit, daß Dein Mäuschen gesund ist, viermal so hoch ist wie diese blöde andere Möglichkeit. Ich jedenfalls drücke die Daumen – auch dafür, daß das Mäuschen auf den Papa wartet.

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    1. Stimmt, die Perspektive gefällt mir wesentlich besser.
      Dennoch macht mir diese riesige Wahrscheinlichkeit (20% ist für mich als Gesellschaftswissenschaftlerin einfach irrsinnig viel) schon Angst. Aber damit muss ich jetzt eben leben. Aber ja nicht mehr lange.

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  3. Ich (uralte Mutter) war 2x zur Feindiagnostik und zig mal zum Ultraschall u.ä.
    Obwohl ich die Bestpunktzahl hatte, die eine Frau in meinem Alter erreichen kann, wurde uns erzählt, dass eventuell etwas mit den Nierchen nicht stimmt und dass Nackenfalte und Nasenbein nicht gerade unauffällig sind, außerdem wurde sich 3x im Geschlecht geirrt.
    Dat Lucky kam und siehe da: dat Gör ist kerngesund.
    Was ich sagen will: man sollte diesen ganzen Wahrscheinlichkeiten und wischiwaschi Ultraschällen nicht zuviel Bedeutung beimessen.
    Ich hoffe, du kannst die Schwangerschaft dennoch ein klitzekleines bisschen genießen.

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    1. Danke! Schön zu hören, dass alles auch viel besser sein kann, als gedacht. Ich bin ja gerne mal pessimistisch unterwegs – und manchmal merke ich das nicht einmal.

      Und Schwangerschaft genießen – du meinst wenn mir gerade niemand in die Milz tritt und mein Rücken und alles drumherum gerade nicht weh tut? 😀

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  4. Ja genau, genießen! *hüstel*
    Da kommt mir gerade in Erinnerung, wie Lucky mir mal so derbe in den Rücken trat, dass ich im Getränkemarkt in die Knie ging. Und während ich da so auf einer Vitamalz-Palette hockte, fiel mir auf, dass der beste Ort für eine Fruchtblasen-Platzung ein Getränkemarkt ist! Die haben keine Angst vor Flüssigkeiten und jede Menge Wischmobs da.
    Nur mal so als Protipp 🙂

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    1. Oah das ist tatsächlich ein richtig guter Tipp. :O Den solltest du vermarkten!

      Und dann ist das ja in der Regel auch alles gefliest und leicht zu reinigen. Perfekt!

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  5. Es ist so ärgerlich, wie unverantwortlich mit diesem ganzen angeblichen Wissen vor der Geburt umgegangen wird!!!ich habe mittlerweile schon so viele Frauen kennen gelernt, deren Schwangerschaft von diesem grauen Sorgefleck überschattet wurde, bei mir war es auch so. Ganz egal, wie es letztendlich ausgeht, werdende Eltern werden mit diesen Hammerwahrscheinlichkeiten einfach alleine gelassen. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du einen Weg findest, Dich und Dein Kind zu genießen. Was zählt, ist das Hier und Jetzt, immer! Ganz liebe Grüsse unbekannterweise!

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    1. Vielen lieben Dank! Und willkommen auf dem Blog. 🙂

      Wie schon im Text gesagt: wenn es Dinge sind, die feststehen, dann ja bitte, her mit den Informationen. Aber Wahrscheinlichkeiten und Vermutungen? Nee, braucht keiner, vor allem nicht, wenn ich damit im Regen stehen gelassen werde.

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    1. Dankesehr! Und nein, ist nicht zu spät, etwas mehr als einen Monat ist es schon noch. Und überhaupt: Glückwünsche können doch eigentlich nie zu spät sein. 🙂

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