Ein Beitrag von 365tageimleben
Ruth im Weihnachts-Wunderland
Wie verzaubert die Welt doch in weiß und feierlich beleuchtet aussieht, sogar hier. Als sie das dachte, saß Ruth zusammen mit Sophie, ihrer Großnichte und der zuckersüßen kleinen Rosie bei MacD., nicht gerade ihr Lieblingsrestaurant, aber Rosies Windeln waren voll und Ruths Hände trotz der dicken Handschuhe geradezu Eisblöcke, kalt war es in der Schweiz, sehr kalt sogar hier auf über 1.600 m Höhe.
Eigentlich war es ja ein kleines Wunder, dass sie überhaupt hier in Zermatt waren, wer hätte das gedacht, Herr Grüetzli, der Kurdirektor hatte auf Miras Blog von Ruths’ aufregendem Abenteuer auf Teneriffa gelesen. Er hatte sie spontan eingeladen, Zermatt als ein Reiseziel für jedes Alter zu bewerben und dafür war ihr Grüppchen im Alter von vier Monaten (Rosie) bis zur 85-jährigen Ruth ja geradezu prädestiniert.

Tatsächlich war dieser Ort der Schönen und Reichen, sogar hier bei Mäci besonders und anders, denn so ein Lokal der Kette, hatten sie tatsächlich noch nirgends gesehen, der Gastraum war ganz in honigfarbendem Holz gehalten, mit großen rustikalen Tischen auf denen dicke, rote Kerzenstumphen standen, dazu gab es passende Stühle und rot-goldenem Weihnachtsschmuck und vor dem Fenster – wofür weder die Kette noch Zermatt etwas konnten – breitete sich ein weißes Märchenland aus, die Welt schien mit Sahnebaiser bedeckt zu sein. Laut und voll war das Lokal, von Lachen und Wärme erfüllt, sie hatten mit Mühe und Not noch zwei Plätze am Tisch einer englischen Familie mit gleich vier Kindern, alle unter zehn, ergattert, die sich erstaunlich gut benahmen, aber doch aufgeregt plapperten. Heute sollte nämlich der Weihnachtsmann in ihr Hotel kommen, erfuhren Ruth und Sophie, sie durften ihm was vorsingen, ein Gedicht aufsagen oder etwas vorspielen und wenn es dem Weihnachtsmann gefiel, würden sie ein Geschenk und einen Brief von ihm bekommen. Nur die Vierjährige war ein bisschen traurig, weil ihr bester Freund aus dem Kindergarten, Georgie nicht dabei war und dann sagte der Vater der Kinder, um die kleine Dame zu trösten, doch tatsächlich zu ihr: “Aber dann wäre doch Her Majesty the Queen ganz traurig und müsste Weihnachten ohne ihr Urenkelchen verbringen”. Ruth blieb fast der Mund offen, was selten vorkam, vorsichtig kramte sie ihre sehr dürftigen Englischkenntnisse hervor und fragte mit großen Augen: “Sorry Sir, do you speak about Prince George the son of Prince William and Kate?” Der Mann, wie sich noch herausstellen sollte, ein waschechter Lord, antwortete lächelnd und in fast akzentfreiem Deutsch: “Aber ja, unsere Kinder besuchen den gleichen Kindergarten und sind dicke Freunde, George ist ein prima kleiner Kerl und schon heute ein echter Herzensbrecher”. Sophie, die gerade mit der am Däumchen lutschenden Rosie vom Windeln wechseln kam, hatte nichts von alledem mitbekomm und freute sich nur, dass sie alle von Lord Teascones – so hieß der Lord – zur Kinderweihnachtsfeier ins beste Hotel am Platz eingeladen wurden. Was würde Röschen staunen, wenn sie diese bunte Pracht sah und ihren ersten richtigen Weihnachtsmann, wobei die Maus eigentlich alles toll fand, solange es nur bunt war und Lärm machte: “Wie kommt denn das jetzt?”, fragte sie Ruth vor der Tür und konnte sich gar nicht beruhigen, als sie die Geschichte hörte, hatte sie doch als Teenie mal geplant, Williams Kate zu werden. Stattdessen war sie nun Rosies Mama und wer weiß, vielleicht eines Tages, Rosi und Georgie?
Aber jetzt mussten sie erstmal machen, Rosie wurde dick verpackt in den Babyschlitten gelegt und zusammen zogen sie durch die dick verschneiten Straßen, um auf dem Weihnachtsmarkt, Mira, Sophies Mama zu treffen, die noch schnell Windeln und Gläschen besorgt hatte. Aber wo steckte sie nur? Langsam wurde es dunkel und in der Winterlandschaft glitzerten tausende von Lichtern an Hütten und Weihnachtsbäumen, der wunderbare Duft von Tannennadeln, Glühwein und Lebkuchen, vermischte sich mit dem Geruch von frischem und sauberem Schnee. Aber da, was war das? Da stand ein kleiner Weihnachtsengel mit goldenen Flügeln und einem roten Näschen, er weinte bitterlich, vor ihm hockte Mira und sprach tröstend auf die Kleine ein. Ruth bückte sich zu den beiden (auch wenn ihren alten Knochen das nicht wirklich gefiel), die vor der einzigen dunklen Hütte weit und breit standen und fragte, was denn los sei. Laut schluchzend berichtete das Engelchen, in der Hütte hätten sie und ihre Omi zusammen Plätzchen für die Gäste backen und den Erlös zugunsten armer Kinder spenden wollen, aber nun hatte die Oma einen Unfall gehabt und konnte nicht kommen, ihre Mama müsse im Hotel arbeiten und der Papa bei der Feuerwehr. Das ging doch gar nicht, fand Ruth, so sollte ein kleines Mädchen nicht enttäuscht werden und schon gar nicht an Weihnachten, Mira und Sophie waren der gleichen Ansicht und so fragten sie die kleine Angelina, so hieß das Engelchen passenderweise, wo denn die Zutaten wären. Schon etwas weniger verzweifelt, sagte sie, dass alles in der Hütte sei und sie den Schlüssel habe, mit elf wäre man ja schon sehr groß.
Tatsächlich fanden sie sich nach dem Öffnen der Tür und dem Betätigen des Lichtschalters in einer großen, wohl vorbereiteten und sortierten Küche mit einer Scheibe, die man zum Weihnachtsmarkt hin öffnen konnte. Schnell erleuchteten sie die Backstube, stellten die Heizung an und heizten den großen Herd schon mal vor. Die kleine Rosie war ganz entzückt von den vielen Lichtern und der Weihnachtsmusik, sie krähte und brabbelte entsprechend vergnügt vor sich hin. So schöne altmodische weiße Rüschenschürzen fanden sie auch, nachdem sie noch schnell, Angelinas Mama angerufen hatten, sie musste ja wissen, wo ihre Kleine ist. Ruth beschloss, als erstes würden sie Engadiner Knusperli und Matterhorn-Batzen backen, Engadiner und Matterhorn im Namen waren ihre freie Erfindung, trugen, wie sie fand, aber sehr zum Lokalkolorit und hoffentlich zum Verkaufserfolg bei. Schon die Haferflocken-Knusperlis waren ein Gedicht, aber diese Mürbchen mit Butter, Sahne und einem dicken Puderzucker-Zitronenguß schmecken einfach göttlich und waren noch dazu schnell gebacken. Angelina half voller Hingabe mit vor Aufregung roten Bäckchen und formte die Plätzchen ganz wunderbar. Sobald die ersten Bleche fertig waren, öffneten sie das Schiebefenster und begannen mit dem Verkauf: “Hier gibt es leckere Plätzchen nach Omas Rezepten” rief Ruth und schon bald stand eine Menschentraube, wohl auch angezogen vom herrlichen Duft rund um die Hütte, sie konnten mit dem Backen kaum nachkommen.
Fünf Stunden später waren sie alle todmüde, die kleine Rosie schlief tief und fest, auch die schon sehr große Angelina nickte, genau wie Ruth immer wieder am Tisch ein, hielt aber die prall gefüllte Kasse eisern und glücklich fest. Ruth spürte jeden einzelnen Knochen und wollte dringend liegen, ein Schläfchen machen, so wie das mit 85 eben war, jedenfalls, wenn man Glück hatte. Trotzdem waren sie alle lange nicht so zufrieden gewesen und hatten sich seit Jahren nicht mehr so weihnachtlich gefühlt. Als Angelinas Mama kam um sie abzuholen und sich über das glückliche Gesicht ihrer Kleinen freute, machten sie, die Mädels-Familie, sich dann auf zum Weihnachtsmann im Hotel. Aber so feierlich und chic hier alles war mit all dem Glitzer, den teuren Kleidern, dem edlen Schmuck, den Lords und Ladies, waren sie dem Gedanken der Weihnacht wohl noch nie so nah gewesen, wie in der kleinen, himmlischen Backstube im Schnee.
Ruths Rezept für Matterhorn-Batzen

Für den Teig:
500 gr Mehl, Typ 505
200 gr. Butter
2 Eier
175 ml Sahne
125 gr Voll- Rohrzucker (fein)
1 Päckchen Bourbon-Vanillezucker
1 Teel. Backpulver
1 Teelöffel Natron
Für den Guß:
1 Paket Puderzucker
Saft von einer Zitrone
Zubereitung:
Den Ofen auf 180 Grad vorheizen. Alle Zutaten für den Teig zusammen in eine große Rührschüssel füllen und zunächst mit den Handrührgerät vermengen, dann mit den Händen kneten bis ein glatter Teig entstanden ist. Den Teig für mindestens 30 Minuten in den kältesten Bereich des Kühlschranks stellen und ruhen lassen. Anschließend mit feuchten Händen den Teig zu 3-3 cm großen Kugeln formen und direkt auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen (Abstand halten!). Dann die Teigkugeln mit einer Gabel leicht plattdrücken und ca. 12-15 min auf dem mittleren Einschub backen lassen. Haben die Plätzchen eine helle goldene Farbe sind sie gut.
Am besten man belässt sie auf dem Blech oder man zieht sie mit und auf dem Backpapier auf den Tisch und lässt sie komplett kaltwerden.
Wenn die Batzen erkaltet sind, werden sie mit einem dickflüssigen Zitronenguss überzogen, dazu wird der Puderzucker mit dem Zitronensaft vermischt, so dass er noch ganz zähflüssig vom Löffel tropft (ähnliche Konsistenz wie Honig).
Guten Appetit und allen Leserinnen und Lesern eine friedliche und fröhliche Weihnacht!
Ela
©365tageimleben, 2017
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