Warum die #10JahreChallenge auf Facebook problematisch ist

Es geht mal wieder ein Trend auf FB umher. In der aktuellen #10JahreChallenge oder #10yearchallenge oder abgekürzt #10years zeigen User Fotos von sich vor 10 Jahren und heute.

Zunächst fand ich das eine witzige Idee und überlegte, ob ich noch irgendwo Bilder von mir aus dem Jahre 2009 habe, um auch daran teilzunehmen. Doch dann schaltete sich meine Datenschutz-Aufmerksamkeit ein. Warum diese Challenge problematisch ist, möchte ich knapp erläutern.

Facebook ist eine Datenkrake – darüber brauchen wir nicht mehr zu diskutieren. Sie sammelt wütig alles ein, was sie kriegen kann: Vorlieben, Herkunft, Lebenslauf und Bilder. An Facebook werden auch Softwares getestet, ganz oft sind das Werbeprogramme, um Werbung noch besser und gezielter zu personalisieren.

Wenn euch das nun bekannt ist, fragt einmal weiter: was könnte man auf Facebook -ganz theoretisch- noch testen? Netzwerktechniken (Verknüpfungen einzelner Personen und von Personengruppen untereinander), Spracherkennung (inklusive Umgangssprache und Slang) – Gesichtserkennungssoftware!

Facebook dementiert eine Beteiligung an der Challenge zu haben:

„This is a user-generated meme that went viral on its own. Facebook did not start this trend, and the meme uses photos that already exist on Facebook. Facebook gains nothing from this meme (besides reminding us of the questionable fashion trends of 2009). As a reminder, Facebook users can choose to turn facial recognition on or off at any time.”
(Deutsch: „Das ist ein benutzergeneriertes Meme, das von selbst viral ging. Facebook hat diesen Trend nicht gestartet und das Meme nutzt Fotos, die auf Facebook bereits existieren. Facebook profitiert von diesem Meme nichts (außer eine Erinnerung an die fragwürdigen Modetrends von 2009). Als Erinnerung, Facebook User können die Gesichtserkennung jederzeit an- oder ausschalten.“ Übersetzung von mir.) 

Ja, die Bilder gibt es schon auf Facebook. Aber spinnen wir einmal weiter.

  • Um an diese Bilder zu gelangen, müsste man einen sehr großen Datensatz durchwühlen, sichten und sortieren.
  • Viele Nutzer haben keine Bilder ihrer Gesichter zum Profilbild: viele nutzen Comics, Landschaftsfotografien, verzerrte Bilder etc.
  • Die Bilder, die Gesichter zeigen, sind nicht zwangsläufig aus dem Jahr des Hochladens. Die Metadaten zu Bildern sind ebenfalls nicht immer verfügbar.

Durch das Hochladen zweier Bilder von sich in einem gesetzten Zeitfenster fügt man all diese sonst fehlerhaften, fehlenden oder unsicheren Daten wieder ein und gibt unter Umständen noch weitere Informationen dazu, etwa zum Ort des Geschehens oder einer Anekdote des Tages etc.

Was man damit machen kann ist vor allem, Gesichtserkennungssoftware in Alterserkennung zu trainieren. Die #10yearchallenge auf Facebook ist dazu ideal: sichere Daten, gesetzter Zeitrahmen, viele Teilnehmer.

Das ist nicht zwangsläufig etwas Schlimmes. In Neu Delhi fand man mithilfe von Gesichtserkennungssoftware 3000 vermisste Kinder in nur 4 Tagen. Mit Software, die das Alter als Variable mit einrechnen kann, hätten es vielleicht sogar noch mehr sein können. Diese Technologie könnte man etwa bei anderen vermissten Kindern einsetzen auch dann, wenn kein aktuelles Foto vorhanden ist.

Wir sollten uns aber dessen bewusst sein, dass auch solche Challenges, so lustig oder schön sie sein mögen, abgewägt werden sollen. Ist es sinnvoll oder vertretbar solcherart Daten preis zugeben? Weiß man, was mit diesen Daten geschieht? Die größten Gewinne machen wohl Werbefirmen aus solchen neuen Technologien. Es kann aber auch passieren, persönliche Nachteile zu erfahren. Wer schneller sichtbar altert als der Durchschnitt könnte ein Risiko für Lebens- und Krankenversicherungen sein und entsprechend mehr bezahlen.

Wer sagt, das sei Schwarzmalerei und Paranoia, der sei an die Massensammlung von Daten US-amerikanischer Facebook-User durch Cambridge Analytica erinnert.


Titelbild von LoboStudioHamburg @ Pixabay
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Internetkultur ist tot

Ich hasse Internetler.

Egal ob das auf Social Media ist, in Foren, auf Verkaufsplattformen, Youtube oder weiß der Geier wo. Die Internetmenschheit geht den Bach runter.

Es gibt noch „die Guten“, die argumentieren, freundlich und höflich sind, es mit Grammatik und Rechtschreibung mindestens versuchen. Die nette Kommentare lassen, loben, ihrer Bewunderung Ausdruck verleihen oder einfach weiterscrollen, wenn sie mit der neuen Haarfarbe von Sandy Popperdingens nicht zufrieden sind. Die scheinen aber zunehmend zu verschwinden oder zu verstummen.

Stattdessen findet sich eine scheinbar wachsende Masse von Brüllaffen, Idioten, Arschlöchern, Gestörten, Menschenhassern, Besserwissern, Alleskönnern, Taugenichtsen, Illiteraten, Verschwörungstheoretikern, Vollpfosten, Schleimscheißern*, Lakritzeessern und Pissnelken.

*lol die Rechtschreibprüfung kennt Schleimscheißer, aber keine Verschwörungstheoretiker

Ich meine dabei nicht einmal Trolle, die Grütze labern, die sie in den meisten Fällen nicht selber glauben, nur um andere Leute auf die Palme zu bringen oder zu schocken. Nein, schlimmer: diese Nussfritten meinen das völlig ernst! Und fühlen sich dabei auch völlig im Recht und in Ordnung!

Elternforen, in denen sich Eltern austauschen und Tipps geben sollten und vor allem verdammt nochmal gegenseitig unterstützen, weil Elternsein oft verdammt hart ist, sind voll von Übermuttis und Supervätern, die die Erziehungsweisheit mit dem Löffel gefressen und Engelchen erzogen haben, die die nächsten Heiligen werden, glaubt man deren Ausführungen.

Verkaufsplattformen sind voll von „Noch da?????“ und „Was ist letzter Preis“ oder „ich bezahl 10 Cent und du die Versandkosten“ – Fotzen, die am liebsten ihren Arsch hinterher getragen haben und dafür bezahlt werden möchten.

Youtube und Facebook und Twitter sind voll von Spinnern, Rassisten, Misogynisten und ähnlichem Abschaum menschlicher Kreation. Man möchte sie alle in einen Sack stecken, in den Rhein werfen und dafür genauso keine Konsequenzen erfahren wie sie.

Was ist nur mit denen los? Glauben die allen Ernstes noch immer, dass sie anonym sind? NIEMAND ist anonym. Wenn mir oder meiner Familie jemand ernsthaft im Internet schaden würde, wüsste ich genau, an wen ich mich wenden muss, um persönliche Informationen über diese Person herauszufinden und weitere Schritte einzuleiten. Es gibt Mittel und Wege, das müssen die doch im Hinterkopf haben, sofern da überhaupt noch etwas verdrahtet ist?

Fühlen die sich stark im Internet, weil sie in ihrem sonstigen Leben Niemande sind? Haben sie zu kleine krumme Pimmel? Sind sie einsam? Gelangweilt? Einfach nur dumm?

Es ergibt sich mir wirklich nicht, wie jemand mit nur einem Fünkchen elterlicher Erziehung -gut oder schlecht- fertig bringen kann, sich so scheiße aufzuführen, wie es viele heute tun.

Oder ist es bloß eine laute, auffällige Minderheit, die das Erlebnis Internet für so viele wie möglich versauen möchten?

Es kann jedenfalls nicht so weiter gehen. Daher bitte ich alle, die sich genauso genervt fühlen:

  • meldet diese Kackbratzen
  • schreibt ihnen entgegen
  • zieht Konsequenzen
  • schaut nicht weg

Es reicht nun wirklich mit dem laissez-faire, es wird Zeit, dass dem wieder Einhalt geboten wird. Es ging doch schließlich schon mal anders.

Diese Woche gelesen

Beim PTAchen bin ich auf ein Thema gestoßen, das für mich persönlich zwar nicht zutrifft, ich aber sehr interessiert gelesen habe. Und zwar geht es da um die Gesundheitsapp Vivy, die mehr als fragwürdig agiert. Heidewitzka!

Auch Facebook hat sich in Sachen Datenschutz mal wieder ganz toll verrannt. Wer dort angemeldet ist, hat sicher schon einmal die Aufforderung bekommen, die Telefonnummer zu Sicherheitszwecken anzugeben. Habe ich nie, weil ich befürchtete, dass es nicht nur dafür verwendet wird. Ich hatte Recht.

Außerdem habe ich mich in den Blog von Annika eingelesen, die ich schon lange als Lesezeichen gesetzt habe, aber nur ganz sporadisch besucht habe. Zeitmangel und so, ihr wisst. Jedoch: Stöbern lohnt sich! Mit ihrem Charme, gekrönt mit einer kräftigen Prise Humor, weiß sie viele Geschichten und Gedanken gut auszudrücken.

Außerdem lese ich gerade für eine Hausarbeit etwas, das ich sehr spannend finde: Kinder und Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart. Normalerweise würde ich ein Fachbuch bzw eine Fachzeitschrift hier nicht mit hinein packen, aber das Buch ist so gut geschrieben (und leicht verständlich), dass ich es nur ans Herz legen kann.

Noch ein paar Links auf Englisch:

Was ist los mit Yvonne?

Wie ich es schon in den Kommentaren zum letzten Beitrag zu Yvonne erwähnt habe, war unser Gespräch nach den letzten Zeilen, die ich euch zeigte, nicht beendet.

Und das war ganz gut so. Es hat mich nämlich nachdenklich gemacht.

Im letzten Beitrag hatte ich sie gefragt, warum sie mir überhaupt erneut schreibt, was das soll, ob sie wirklich davon ausgeht, dass ich mich 4-5h pro Richtung in den Zug setze und das Geld, das sie mir für den Kinderwagen gegeben hätte, in eine für mich nutzlose Zugfahrt investiere.

Nach etwas Hin und Her sagte sie schließlich „Ich bin schwanger!“

„Das war ich auch“, entgegnete ich, „aber deswegen konnte ich trotzdem noch lesen.“

„Schön. Ich nicht.“ War ihre Antwort.

Auch wenn das natürlich Unfug war und übertrieben, so traf mich das. Wie schlecht ging es mir doch streckenweise, völlig überfordert, als der Engländer seinen Abschluss machte und ich im 8. Monat ganz allein war, nicht in der Lage meinen Alltag normal zu bewältigen.

Wie arrogant war es von mir, mich über Yvonne lustig zu machen, wenn ich doch gar nicht wusste, wer sie ist. Warum tue ich das eigentlich, wenn ich doch sonst immer sage, man müsse respektvoller miteinander umgehen?

Ich wollte mir anfangs einen Scherz mit ihr erlauben, sie auf’s Korn nehmen, doch ich bin zu weit gegangen. Es tat mir leid. So suchte ich einen noch besseren Kinderwagen in ihrer Nähe heraus.

Okay“ sagte sie auf den Link, den ich ihr schickte.

Ich hoffe wirklich, dass alles okay wird, Yvonne. Verzeih mir.

 

Seid lieb.

Kony 2012

Bevor ihr meine Meinung zum Thema lest, solltet ihr das Video zur Aktion kennen. Es ist nicht zwingend erforderlich, aber von Vorteil. Darum hier, jetzt, für euch:

Ich habe mich ein bisschen mit der Thematik befasst und muss sagen: ich war verwirrt. So viele Unterstützer und mindestens genausoviele Kritiker. „Woher die Kritiken?“ habe ich mich gewundert, wollte das Video doch die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen- was es geschafft hat. Weltweit. In epidemischem Ausmaß, ja geradezu in einer Sintflut des politischen Interesses.

Eine Pro und Kontra- Liste sollte mir helfen, wollte ich doch von Anfang an einen Artikel hierüber schreiben. Es überwog das Pro. Sogar Ausreden, warum es legitim ist, dass 2/3 der Gelder für Lobbyarbeit und Werbung (Plakate, Filme, Buttons, Publikationen etc) draufgehen, habe ich mir zusammengereimt.

Wie das Video aufgemacht ist finde ich tatsächlich gut (bis auf die Tatsache, dass der Sohn des Regisseurs eindeutig zu oft herangezogen wird. Niedlich ist er ja, aber eben kein betroffener schwarzer Junge aus den Armutsvierteln Ugandas, sondern ein blonder, weißer Junge aus wohlbehütetem und offensichtlich wohlhabenden Elternhaus in den USA). Kritiker sagen, es sei zu emotional. Doch Emotion ist das Mittel schlechthin, um Menschen zu bewegen, aktiv zu werden. Ein solcher Beitrag ist wirksamer als ein neutraler Bericht – von den Grausamkeiten in den Nachrichten werden die meisten ja auch nicht mehr schockiert. Den Erfolg des Videos sieht man an seiner viralen Verbreitung ganz deutlich. Leider fehlen mir aber trotzdem neutrale Informationen.

Weiterhin positiv zu bewerten ist, dass die Organisation hinter dem Kurzbericht, Invisible Children, Schulen und Frühwarnsysteme baute und somit direkt vor Ort half.

Doch leider endet meine neue, überarbeitete Positiv-Listenseite hier bereits. Das Negativ ist so massiv und brüllt so laut, dass es selbst solche positiven Dinge übertönt.

Das Video ist in der Tat keineswegs zeitgemäß. Es wird spekuliert, dass Kony bereits tot ist. De facto ist er jedenfalls nicht mehr in Uganda, denn er floh schon vor 6 Jahren. Die LRA ist im Kongo, dem Südensudan und Zentralafrika aktiv, nicht mehr in Uganda. Mittlerweile haben die Menschen in Uganda ganz andere Probleme. Sie sind unterversorgt. Sie haben keine Arbeit. Krankheiten, wie etwa die Nodding Disease, eine relativ neue und unheilbare Krankheit, die Kinder zwischen 5 und 15 Jahren betrifft und für physische und psychische Behinderungen sorgt, raffen die Menschen dahin.

Auch die ugandische Armee ist äußerst zweifelhaft. Diese noch mit Waffen zu unterstützen ist ein Frevel. Und nach amerikanischem Vorbild alle Zivilisten zu bewaffnen geht früher oder später definitiv nach hinten los, wie wir das ja beim „großen Bruder“ hinterm Meer beobachten können.

Was mich aber am stärksten an der Echtheit des Videos zweifeln lies, ist die Tatsache, dass im Jahr 2010 Öl in Uganda gefunden wurde. Das erklärt für mich einzig und allein, warum die USA aktiv werden. Denn sind wir mal ehrlich: die Regierung der USA interessiert sich für afrikanische Probleme und kinderstehlende Warlords? Also bitte! Wer glaubt denn das noch?

Vielmehr denke ich, dass unzählige Menschen (mich eingeschlossen) auf eine ausgeklügelte PR-Strategie hereingefallen sind, die schon benutzt wurde, um die Invasion von Afghanistan und dem Irak legitim wirken zu lassen. Denn da saßen ja auch böse Menschen, die die Personifizierung des Satans darstellten. (Ganz zufällig saßen sie dabei auf Öl…)

Was lernen wir daraus?

Hilfsaktionen sind eine heikle Sache. Man sollte sie IMMER hinterfragen, denn es befinden sich auch hier oft schwarze Schafe unter den eigentlich guten Zwecken- was äußerst traurig stimmt, denn es zeigt, wozu wir in unserer westlichen, kapitalorientierten Welt verkommen sind.