Ein sehr ernstes Thema!
Es erschien in den Top-Suchen, mit denen jemand auf diesen Blog gefunden hat. Ich weiß nicht warum. Vielleicht wegen des Beitrags über Lookism, ich kann es nicht genau sagen.
Jedoch möchte ich das Thema kurz aufgreifen. Man könnte sicherlich ganze Bücher damit füllen.
Mich interessiert hierbei am meisten: woher kommt dieses Problem und was kann man dagegen tun?
Ursachen sucht man als Soziologe -und als dieser verstehe ich mich mittlerweile- auf Mikro- und Makroebene (und auch in der Mesoebene.)
Auf der Makroebene wären da die falschen Körperbilder, die uns tagtäglich eingebläut werden in Werbung, Fernsehen und Co. Schlank sein ist schön, dünn sein ist Erfolg, dünner als andere zu sein ist willensstark und ausdauernd. Wer dem nicht entspricht gilt als schwach und faul; oft assoziiert man (unbewusst) Übergewicht mit Dummheit. Wer schön ist, darf ruhig dumm sein, wer dumm ist, sollte lieber schön sein.
Daraus resultieren Konkurrenz und Anfeindungen in und zwischen Personengruppen. Das trifft besonders junge Menschen, die sich noch definieren müssen und eine Orientierung brauchen. Es braucht in einer Schulklasse nur ein einziges Kind, das andere wegen ihres Aussehens hänselt oder ausgrenzt, um in einigen derart starke Selbstzweifel auszulösen, die sie das ganze Leben lang in Form von Persönlichkeitsproblemen oder gar -störungen begleiten können. Wichtig ist hier der Begriff der Resilienz. Resilient zu sein heißt, auch mit widrigen Umständen klarzukommen und sie verarbeiten zu können, ohne dabei einen (psychischen) Schaden zu nehmen. Jeder Mensch hat ein individuelles Maß an Resilienz, der eine hat mehr und der andere eben weniger. Innerhalb des Lebens kann sich dieser Wert ändern. Ein Kind aber, das am Anfang des Lebens steht und noch nicht viele Erfahrungen und somit Widerstände (Hilfstechniken) entwickelt hat und außerdem über eine geringe Resilienz verfügt ist sehr angreifbar für solche äußeren Einflüsse.
Wir wissen alle, wie leicht beeinflussbar Kinder sind. Was man ihnen sagt, glauben sie. Und wenn das Fernsehen ihnen in mehr oder minder unterschwelligen Botschaften sagt, dass man schlank sein muss, um geliebt zu werden, ja dann glauben sie auch das. Kinder schauen sich aber auch viel von ihrem näheren Umfeld ab. Gerade wenn die Mutter oder eine große Schwester ständig bemüht sind, abzunehmen und gut auszusehen, sendet das mitunter fatale Signale an ein Kind.
Es gibt aber auch ziemlich kranke Jugendbewegungen, die das krankhafte Dünnsein zelebrieren. Ich spreche hier vor allem von Pro Ana. Mitglieder dieser Bewegung zwingen sich absichtlich zur Magersucht und/oder Bulimie, stacheln sich noch gegenseitig an, sind sehr streng und verlangen viel Einsatz von anderen Mitgliedern ab. So gibt es etwa eine Onlinecommunity, bei der man nicht nur beweisen muss, dass man bulimisch ist, sondern auch täglich Bilder von seinem dünnen Körper hochladen muss. Wer isst, wird gnadenlos gemobbt. Wer zunimmt, fliegt raus.
Damit wären wir auch schon bei der Mikroebene angekommen. Im Umfeld eines Kindes kann sich sehr viel tun. Dabei nimmt es mehr wahr, als man glauben könnte. Kinder sind oftmals noch viel sensibler in der Wahrnehmung ihres Umfeldes (während man als Erwachsener manchmal erst innehalten muss, um sich zu öffnen und empfänglich zu sein.) Es gibt Situationen, die ein Kind stark beeinträchtigen können. Trennung der Eltern, Tod eines Verwandten, Gewalterfahrungen. Aber auch „normale“ Umstände wie die Pubertät und die damit einhergehenden Veränderungen in Körper und Psyche (->Hormone) sind für manche Kinder ein großes Problem. Kommen hierzu noch gesellschaftliche Pressalien, kann sich das durchaus in krankhaftem Verhalten äußern. Es gibt wohl auch genetische Veranlagungen, die den Ausbruch z.B. von Magersucht begünstigen. Kommt das außerdem hinzu, ist ein solches Krankheitsbild sehr wahrscheinlich.
Magersucht bei Kindern kann also viele Gründe haben, oft ist das etwas Individuelles, das aber im Allgemeinen Schnittmengen aufweisen kann. So sind Kinder aus prekären Verhältnissen eher gefährdet als solche, die in einem stabilen, liebevollen Umfeld aufwachsen. Doch selbst bei letzteren gibt es Faktoren, die für sensible Kinder Auslöser darstellen können.
Bleibt die Frage, was man tun kann, wenn ein Kind Tendenzen zur Magersucht oder gar schon ein fortgeschrittenes Krankheitsbild aufweist.
Der erste Schritt ist sicherlich die Ursachenforschung, wie bei jedem anderen Problem auch. Hierzu sollte man sich definitiv professionelle Hilfe suchen, denn oft hindern Scham oder Angst betroffene Kinder davor, ihre Beweggründe offen zu legen. Sehr oft ist den Klienten auch gar nicht bewusst, woher ihr Verhalten kommt oder was überhaupt mit ihnen los ist. Es ist wichtig, sie darüber aufzuklären, was los ist und wohin sie das führen kann. Genauso wichtig ist es, sie zu verstehen und wirkliche Hilfe anzubieten. Verbote und Strafen sind genau der falsche Weg. Auch überstreng oder permanent kontrollierend zu sein kann das Problem verschlimmern. Denkt daran, dass es sich um eine Krankheit handelt, die oft psychische Aspekte beinhaltet. Macht keine Vorwürfe, übt keinen negativen Druck aus. Sätze wie „Wenn du das jetzt nicht isst, bekommst du 2 Wochen Hausarrest“ sind Moppelkotze. Gleich doppelt: zum einen wird ein negativer Druck ausgeübt, der das Kind fragen lässt, ob es dann auch nicht mehr geliebt wird. Zum anderen wird Essen mit etwas Negativem konnotiert. Es wird zu einer Notwendigkeit, einem Zwang, einer Qual. Und niemals, NIEMALS! droht mit Liebesentzug. NIE!
Es gibt so viel zu beachten; das kann ich alles gar nicht aufzählen. Gerade deshalb möchte ich allen Betroffenen (Angehörigen) ans Herz legen: sucht Hilfe! Je länger ihr wartet, desto schlimmer wird es! Hilfe gibt es bei Psychotherapeuten, Suchtberatern und beim Hausarzt. Wenn man gar nicht weiß, wohin man soll, geht zum Hausarzt. Und wenn der nicht hilft, dann scheut nicht davor, euch ans Jugendamt zu wenden. (Und den Arzt zu wechseln.) Die werden euch die richtigen Beratungsstellen nennen können. Habt keine Angst vor Strafen, denn die gibt es nicht. Sie werden euch das Kind nicht wegnehmen!
Besser als Nachsorge ist natürlich immer die Vorsorge.
Wie so oft gilt hier: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Hier sollten sowohl Schule als auch Elternhaus und Freizeitpädagogen (im Sinne von Vereinen, Jugendclubs etc.) offen sein und zusammen arbeiten. Setzt euch zusammen mit dem Kind kritisch mit dem Schönheitsbild der Medien auseinander. Achtet auf Äußerungen der Kinder. Schaut nach, was für Internetseiten die Kinder besuchen und welche Sendungen sie sehen. Diskutiert ruhig auch mal über GNTM und wie diese ganzen Modelshows heißen. Und auch wichtig: achtet auf euch selbst. Selbstsicherheit mit dem eigenen Körper wirkt sich auch gut auf eure Kinder aus, denn es zeigt: Aussehen ist nicht so wichtig, dass sich ständig alles darum drehen muss.
Aber auch wenn man sich alle Mühe gibt, immer ein gutes Vorbild zu sein, so lässt es sich manchmal einfach nicht vermeiden, dass sich Störungen entweickeln. Manchmal ist der Druck der Peergroup einfach zu groß und die Verführung zu stark. Macht euch keine Vorwürfe, wenn es zum Äußersten kommt. Sie helfen euch auch nicht weiter. Konzentriert euch darauf, dem Kind zu helfen, wenn es Hilfe braucht. Aber lasst auch nicht immer alles darum kreisen, denn dann verpasst ihr die guten Dinge im Leben, die sich eben auch trotz einer Erkrankung ereignen können.
So, jetzt habe ich doch wieder einen riesen Artikel draus gemacht. Dabei wollte ich nur kurz etwas schreiben. Ich bin dann mal wieder lernen.

Gefällt mir:
Like Wird geladen …