Das ist ein Beitrag, den ich anderthalb Jahre lang in meinen Notizen hatte. Ich finde einfach kein Ende zu diesen Gedanken. Da ich aber ein wenig aufräumen und „Altlasten“ loslassen möchte, veröffentliche ich nach all der Zeit nun trotzdem. Vielleicht habt ihr ja noch ein paar Weisheiten dazu?
Neid ist ein Thema, das sicher für jeden an einer Stelle im Leben einmal relevant war. Manch einer wurde beneidet – was, ganz nebenbei, ein bittersüßes Gefühl ist: es gibt dem Ego einen Kick, doch auf der anderen Seite scheint es ein negatives Gefühl, das einem entgegengebracht wird. Neidisch zu sein hingegen ist stets negativ konnotiert.
Ist Neid negativ?
Wenn ich mit Freunden, Bekannten, Verwandten über Neid gesprochen habe, schwang immer ein Unbehagen mit. Niemand gibt gern zu neidisch zu sein, denn das erscheint wie ein schlechter Charakterzug. Dabei finde ich, dass Neid nichts Schlimmes ist.
Jedoch, so scheint es mir, kommt es sehr auf die Definition an; darauf, was man unter Neid versteht. Darum versuche ich kurz zusammen zu fassen:
Neid ist das Begehren eines materiellen oder immateriellen Besitzes eines Anderen, dessen Erlangung für einen selbst zumindest kurzzeitig mit Hindernissen verbunden ist oder gänzlich unerreichbar bleibt.
Jemand hat also etwas, das ich auch gerne hätte, aber nicht so einfach bekomme. Das kann materiell sein, ein Auto, ein grosses Haus, oder immateriell, eine Charaktereigenschaft, ein Talent, Wissen.
Ich bin zum Beispiel wahnsinnig neidisch auf Menschen, die gut zeichnen können. Um auch gut zeichnen zu können, könnte ich Zeichenunterricht nehmen, täglich üben usw. Das garantierte nicht, dass ich eines Tages ebensogut zeichnen könnte wie dieser oder jener Künstler, denn Talent gehört auch dazu, ebenso wie eine gewisse Vorstellungskraft und das Auge dafür; wahrscheinlich bliebe mir dieses Können also auf ewig verborgen. Doch verbessert hätte ich mich dennoch und ein Hobby dazu gewonnen ebenso. Nur weil ich neide, wird das Talent eines Anderen nicht schlechter, sein Erfolg nicht geringer, seine Zeichnungen nicht hässlicher.
Hier sehe ich also keine negative Eigenschaft des Neides. Im Gegenteil: ich kann mich durch Neid anspornen lassen, besser zu werden, ein Ziel zu erreichen, mich selbst zu formen. In diesem Fall ist Neid eine Art des Vergleichs, dem menschlichen Bedürfnis der Selbstpositionierung, Selbsteinschätzung und Orientierung.
Für den Beneideten selbst kann es eine Rückversicherung sein, dass das, was er tut oder wie er ist anderen gefällt. Bedingung dafür ist allerdings, dass dies nicht in hasserfüllten Kommentaren kommuniziert wird. Sätze wie „Dein Talent, Deine Geduld, Dein Erfolg ist beneidenswert!“ streicheln dagegen dem Ego.
Wichtig dabei ist, dass man es dem Anderen gönnt. Sobald dieser Aspekt fehlt, schlägt Neid doch in etwas Negatives über. Etwas zu begehren, das ein Anderer hat, ist ganz natürlich. Es ihm zu missgönnen jedoch ein schlechter Charakterzug.
Das sieht man oft, wenn es um Prominente geht, bei denen manche Neider davon ausgehen, dass sie ihre Erfolge unverdient erreicht haben, nur Glück hatten oder sich „nach oben gemogelt“ haben. Dass hinter großem Erfolg aber auch oft lange Leidenswege stecken oder Erfolg auch nicht glücklicher macht und vielleicht sogar vereinsamt, bleibt ihnen verborgen. Diese Art von Neid geht mit einem bestimmten Denkmuster einher, das umgekehrt zum bloßen Glück beneideter Menschen aussagt, dass diese Person sich nicht in Kontrolle des eigenen Lebens fühlt, ein geringes Selbstwertgefühl hat (etwa „das könnte ich eh nie erreichen“) oder grundsätzlich unzufrieden mit dem eigenen Leben ist. Oft steckt dahinter gar kein eigentlicher Neid – fragt mal eine solche Person, ob er oder sie denn selber gerne Popstar wäre; die meisten werden verneinen. Fragt weiter ob er oder sie glaubt, dass a) derjenige mehr Pech hat als andere und dass b) andere mehr Glück haben.
Neid ist vor diesem Hintergrund gar nicht das eigentliche Problem, sondern ein Indikator, ein Symptom und daher negativ konnotiert. Die wohl beste Art damit umzugehen wäre, sich nicht weiter dem Neid hinzugeben sondern zu ergründen, warum man neidisch ist und was einem fehlt, dass sich dieses Gefühl aufdrängt. Dazu jedoch, und das fällt vielen Neidenden schwer, muss man sich erst einmal eingestehen, dass ein Defizit besteht und auch, dass man schlichtweg neidisch ist.