Die Kochbücher meines Großvaters

Ein Work in Progress Bericht

So oft ich versucht habe auszumisten, mein Chaos in den Griff zu bekommen, so oft habe ich auch wieder aufgegeben und weiter Unrat gesammelt. Gründe dafür gab es immer: zu beschäftigt, zu überwältigt, zu viel Arbeit, zu wenig Nachfrage bei Sachen die ich verkaufen wollte… Die Liste war lang.

Gescheitert an meinem eigenen Unrat, dachte ich. Ich bin ein unordentlicher Mensch, dachte ich. Werde meinen Kram nie los, obwohl ich doch will.

Aber so war es gar nicht! Und das habe ich in den letzten Tagen erkannt, beziehungsweise habe ich gelernt, dass all meine oben genannten Gründe gar keine Charakterfehler, sondern Prozesse, die nicht nur vielen bekannt, sondern auch langwierig sind.

Meine größte Erkenntnis war aber die: Ich bin ein „emotional hoarder“: ein Mensch, der aufgrund verschiedener Emotionen Schwierigkeiten hat, Gegenstände loszulassen. Mit Menschen, Erinnerungen, Gedanken war mir das längst bewusst. Dass jedoch Traumata und negative Erfahrungen auch dazu führen können, dass man sich an Gegenstände klammert, das war mir neu. Ein Knoten platzte.

Wer mich schon länger liest weiß, dass ich große Probleme mit Verlusten habe, an Verlustangst leide. Der Tod meines Großvaters 2009 hat mich in eine tiefe Depression gestürzt, an der ich teils noch heute, 12 Jahre später, arbeite. Ohne es zu merken hat das dazu geführt, nicht nur Sachen von ihm zu horten, sondern auch völlig Beziehungsloses. Zudem auch Dinge von ihm, die zur Benutzung bestimmt sind, aber unbenutzt verstauben. Wie seine Kochbücher. Ich benutze sie nie, sie sind weder mein Kochstil noch in irgend einer Weise übersichtlich. Aber sie sind von IHM und deswegen habe ich sie noch.

Dazu mischen sich dann noch Probleme wie durch in Armut aufgewachsene erlernte Verhaltensmuster á la „Das könnte ich noch gebrauchen“ oder die Sunk Cost Fallacy, über die ich an anderer Stelle einmal schreiben möchte.

Woran ich beim Ausmisten arbeiten möchte ist das Verständnis, dass meine Erinnerungen und Liebe für Menschen nicht an Gegenständen haftet, sondern in mir leben. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Die Kochbücher werde ich so schnell nicht aussortieren. Das ist emotionale Arbeit, die einige Zeit und Kraft in Anspruch nehmen wird, wofür ich noch nicht bereit bin. Das ist okay und das erlaube ich mir.

Alles andere aber, das ich nicht brauche, nicht möchte und nicht benutze, wird aber nach und nach aussortiert. Vielleicht schaffe ich es, darüber zumindest hin und wieder zu berichten und ich würde mich freuen, wenn ihr mich auf diesem Weg begleitet.

2 Kommentare zu „Die Kochbücher meines Großvaters

  1. Schön, mal wieder von dir zu lesen! Was die Thematik angeht, so ist sie mir zwar selbst recht fremd, zumindest aber zeige ich in gewisser Weise artverwandte Verhaltensweisen. So hänge ich zwar nicht an Gegenständen und zögere davor, sie wegzuwerfen – Myriaden von Büchern davon mal ausgenommen -, dafür bin ich bekennender Veränderungsphobiker. 🙂 Ausgehend von der Tatsache, dass eigentlich die meisten wirklich großen Veränderungen in meinem Leben keine zum Guten hin waren, wundert mich das auch nicht und so ist es eben heutzutage so, dass ich ebenfalls gerne den status quo beibehalte und es zu schätzen weiß, wenn alles so bleibt, wie es ist. Nur eben ohne Ansammeln von Gegenständen. 🙂

    Daran etwas zu ändern, ist vermutlich tatsächlich ein langer Weg. Meine Begleitung auf dem deinen ist dir zumindest mal sicher.

    Unabhängig von all dem hoffe ich, dass es dir sonst so weit gut geht.

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    1. Hey, ja ich habe schon so lange nicht mehr gebloggt! Auweia. Und dann ist heute auch noch 13 jähriges Jubiläum auf WordPress.

      Mir geht es den Umständen entsprechend ganz okay. Die Schwangerschaft neigt sich dem Ende zu und vielleicht ist es ja auch der Nestbautrieb, der mich aussortieren lässt. Egal warum, aber es tut gut, Kram loszuwerden und es hat sich bisher auch ganz gut verkauft. Ein paar Groschen extra sind eine tolle Sache.

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