24. Dezember

theyhadahammer

„Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er >>Guten Tag<< sagen kann, schreit ihn unser Mann an: >>Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!<<“ [1]


[1] Watzlawick, Paul: Anleitung zum Unglücklichsein, Piper, 3. Auflage März 2006, S. 37 f.

 

Lieber Jesus,

alles Gute zum Geburtstag. Das 24. Türchen ist für Dich. Ich weiß, ich bin etwas früh dran. Hoffe trotzdem, Du feierst schön rein. Was soll ich sagen? Die Performance von Dir und Deinem Dad war ja dieses Jahr eher nicht so prall. Schwamm drüber. Wollte ja sowieso nur über mich sprechen. Ich war dieses Jahr auch ’n ziemlicher Lowperformer. Ach, Scheiße… ich fang noch mal an… also…

Lieber Jesus, habe gestern wieder nicht gebumst.
Wollte ja in den letzten Wochen des Jahres nicht nur alles vögeln, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, sondern im Zweifel mit raufklettern und alle wieder runterschubsen. Klappt bisher eher so mittel. Na ja, und weil Kinderüberraschung auch nicht so toll ist, wie ich jedenfalls finde, dachte ich, ich probier’s mit der tinderüberraschung. Ich schreib Dir das, weil, na, Dein Dad hat ja sozusagen den Vorgänger von tinder programmiert. Das Match bei Adam und Eva war aber irgendwie… geschummelt. Hatten ja keine Auswahl, die beiden. Heute ist das anders, sag ich Dir, hinter oder auf jedem Baum könnte ja etwas noch… ähm…Besseres warten. Jedenfalls: Ich wische IMMER nach links. Ausnahmslos. Na ja, wirklich so gut wie immer. Hab den Filter auf 18 bis 70 Jahre und maximalen Umkreis eingestellt und kriege ein Match nach dem anderen. Online hab ich tinder durchgespielt. Offline geht noch was. Von ein, zwei will ich Dir erzählen. Also, da ist eine, sieht ganz gut aus und im Profil steht ein Satz: „Es würde mir nicht im Traum einfallen, einem Klub beizutreten, der jemanden wie mich als Mitglied aufnehmen würde.“ Die Mischung aus „schön“ UND „was im Köpfchen“? Hossa! Gibt’s ja sonst nur bei mir und Deiner Mutter. Ich wische also nach links, Match, schreibe sie an. „Hallo Henriette…blablablabla… Groucho Marx? Sehr sympathisch!“ Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Hä?“ „Na, das Zitat in Deinem Profil. Marx Brothers.“ „Hä? Kenn isch ned.“
 

Jesus, was soll ich sagen. Also wieder nicht gebumst.
Ach so: Verwende natürlich auch wieder die analoge Variante von tinder. Also: Bars. Bekam dann neulich eine SMS, ob ich das mit dem Essengehen ernst gemeint hätte oder ob ich sie nur hätte vögeln wollen. Ja, ja, ich weiß, Ihr habt über Eure Follower ausrichten lassen, man solle nicht lügen und so. Aber, weißt Du, ich hab das ein paar Monate ausprobiert, ehrlich zu sein. Ist ja letztendlich auch ’ne Scheißidee. Und in die Hölle komm’ ich sowieso. Da sind bestimmt auch mehr Weiber als bei Euch da oben. Männer im Nachthemd, die auf Wölkchen sitzen. Na, komm schon… da läuft das Marketing bei der Konkurrenz mit den 72 Jungfrauen irgendwie besser. (Wo die herkommen sollen, wenn ich hier unten fertig bin, weiß ich aber auch nicht.) Wie dem auch sei, also, hab ihr dann geschrieben, aber sicher doch, lass uns essen gehen und dann mal gucken, aber ich freu mich total auf dich und bis bald. Und dann saßen wir da im Restaurant, mit weißer Stofftischdecke und Kerze, total romantisch also, und ich fand ihren Dialekt ziemlich unsexy und was sie gesagt hat, hat mich gar nicht interessiert. Außerdem war sie mit zwölf Whiskey-Cola im Kreislaufsystem irgendwie hübscher. Und jetzt, Jesus, halt Dich fest: Packt die doch während unseres Dates eine Tupperdose aus ihrer Handtasche, holt drei Spielzeugautos raus und fragt mich, ob ich die reparieren könnte, so als Mann. Ihre Kinder hätten die kaputtgemacht. Konnte ich natürlich nicht, bin ja nicht Jesus. Und weil ihr das Essen zu viel war, hat sie sich das einpacken lassen. Sind dann anschließend noch was trinken gegangen und die trägt die ganze Zeit über eine Plastiktüte mit sich rum und süß-saure Sauce tropft unten raus.
 

Also, aus der Tüte, nur aus der Tüte. Was soll ich sagen. Wieder nicht gebumst.
Wie war das eigentlich damals mit Dir und Maria Magdalena? Schon gut, geht mich ja nix an. Hab aber nachgelesen, wie Du die klargemacht hast. Euer Chat ist ja noch online. „Du bist begnadet in Fülle, du bist die allselige Vollheit, die von allen Geschlechtern selig gepriesen wird“. Hast du sie echt „fett“ genannt? Muss zugeben, das ist schon besser als mein Marx Brothers-Scheiß. Das mit der allseligen Vollheit kenn ich auch. Trotzdem ja schiefgegangen bei Euch. Na ja, jeder hat sein Kreuz zu tragen, wem sag ich das. Mich können ja echt alle Geschlechter mal im Arsch lecken, aber Du wieder, Du gehst total souverän damit um.
 

Hast Du eigentlich oben die kleine Geschichte gelesen? Beim Stichwort ‚Hammer’ fällt mir gleich noch eine ein. Also, ich hab ja den Hammer. Man muss mich nur fragen. Es heißt ja, wer als einziges Werkzeug einen Hammer hat, für den sieht jedes Problem wie ein Nagel aus. Bin nächstes Jahr bestimmt blind und taub vom vielen Viagra. Denk da mal drüber nach. Hm. Jedenfalls: Ich schreib Dir nächstes Jahr wieder zum Geburtstag. Du willst bestimmt wissen, wie das 2016 mit den Bäumen und so gelaufen ist. Ich zähl schon mal bis drei.

 

Halt die Ohren steif,

 

Dein Capt’n

9 Kommentare zu „24. Dezember

  1. Ha! Hat er geklaut, der Paul. Die echte Story stammt von Paulo Coelho, aus „Unterwegs – Der Wanderer“. Steht in meinem Regal, hinten links.
    Bin ich jetzt wieder zu genau? Ja wahrscheinlich 🙂
    Zum Nagel in der Stirn… fiel mir spontan das youtube-Video „It’s about the nail“ ein.
    Nur zu den Damen, da fiel mir nicht so viel ein. Außer, dass das mal die besten Anekdoten werden! Sofern sie’s nicht schon sind.

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  2. Hm. Nein. Paulo Coelho erzählt in „Der Wanderer“ eine ganz ähnliche Geschichte: „Der Mercedesfahrer oder: Vorschnelle Schlüsse“. Statt eines Hammers benötigt der Protagonist hier einen Wagenheber, aber die Pointe ist nahezu identisch. Tatsächlich dürfte sich aber eher Coelho bei Watzlawick bedient haben – „Anleitung zum Unglücklichsein“ ist in den frühen Achtzigern erschienen, „Der Wanderer“ von Coelho erst irgendwann in den Neunzigern. Falls ich auf dem Holzweg bin: Pardon.
    Aber sei’s drum, gute Geschichte – so oder so 😉

    Zumindest die Anekdote mit der Tupperdose und den Spielzeugautos gehört jetzt schon zu meinen Top 20, das stimmt 😉

    Grüße!

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    1. Ooarr nee, mir passiert immer wieder dasselbe: glänzen mit Halbwissen! (Wobei ich das mit dem Wagenheber zwar wusste, weil ich ja eben das Buch kenne, mir es aber um die Story bzw. Aussage an sich ging.)
      Aber wer konnte auch ahnen, dass das kleine abgegriffene (weil oft gelesene) Büchlein mit dieser Geschichte darin von einem Autor aus Brasilien geschrieben wurde, der gefühlt älter ist als das Rosenthal (ein Insider – Leipziger kennen den :)) und der dennoch von einem österreichischen Wissenschaftler abgeschrieben hat oder haben könnte, von dem ich erst seit heute Abend weiß, dass der noch wesentlich älter war als der Brasilianer es ist.
      Nu ja, ich wollte ja auch nicht klugscheißern – ich fand es eher witzig 🙂
      Und bin nunmehr vergnügt, dass ich wieder was dazugelernt habe: über Autoren, Wissenschaftler und die Tatsache, dass ich mich erst mal umfassend informiere (also google *smile*), bevor ich was sage.

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