Erneut macht der Selbstmord eines Stars Schlagzeilen und erneut bringen mich die Reaktionen empathieloser Wichtigtuer zum Kotzen.
Chris Cornell und Chester Bennington sind die neuesten traurigen Namen auf der langen Liste berühmter freiwillig aus dem Leben Geschiedener. Es macht mich und viele andere Menschen betroffen, mancher schreibt es sich von der Seele, andere bleiben lieber stumm.
Dann gibt es noch eine Gruppe von Motzern und Nörglern, die Trauer und Anteilnahme am Tod von Menschen außerhalb des Familien- und Freundeskreises scheinbar nicht dulden und sich darüber auslassen. Dies geschieht meist durch Infragestellen der Aufrichtigkeit und des „Rechts“ der Betroffenheit.
Zugegeben, dass es Menschen gibt, die sich nur aus Gier nach Aufmerksamkeit bestürzt zeigen, ist nicht ausgeschlossen. Jedoch -haltet mich für verrückt- gehe ich davon aus, dass das ein zu vernachlässigender winzig kleiner Bruchteil ist.
Ich darf betroffen sein, verdammt!
Die Kommentare reichen von „Den habe ich eh nicht gekannt“ über „Den hast Du nicht wirklich gekannt“ bis hin zu „Aber in der Sahara verhungern Wale!!1einself“
Nein, die wenigsten Menschen auf diesem Erdball haben den jeweiligen Star wirklich nicht gekannt. Das heißt jedoch nicht, dass man zu dem Menschen oder dem, was er verkörpert hat, keine Verbindung hatte. Chester Bennington und Chris Cornell beziehungsweise Linkin Park und Audioslave / Soundgarden waren viele Jahre Begleiter meiner Jugend. Ihre Lieder haben mich durch diese holprige Zeit getragen und mich aufgefangen. Ich habe mich verstanden gefühlt. Die Traurigkeit, die Wut, Schmerz, Angst, aber auch Durchhalten, Kraft, Verständnis aus ihren Liedern waren auch meine Gefühle und die vieler anderer meiner Generation.
Gerade wenn diese Menschen Selbstmord begehen trifft mich das. Sie haben uns, ihren Fans, Trost und Halt gespendet und es doch selbst wohl nicht (ausreichend) erfahren. Sie waren sogar so verzweifelt, dass Suizid der einzige Ausweg für sie zu sein schien. Ja, auch trotz Familien. Wer sich darüber auslässt, dass sie dafür Arschlöcher sind, dass sie ihre Familien so zurück lassen, dem sei gesagt: ich verstehe diesen Gedankengang. Es ist aber scheiße das zu sagen. Es ist nämlich eben nicht so einfach. Eigentlich macht es das Ganze nur noch schlimmer und umso mehr betroffen. Ihr habt das Thema Depression nicht verstanden. Das ist vollkommen okay, es ist kaum oder gar nicht zu verstehen. Man muss aber auch einfach mal die Klappe halten können.
Zudem war ich selbst mittel bis schwer depressiv und stand mehr als einmal an dem Punkt, an dem ich nicht mehr weiter wusste und mir das Leben nehmen wollte. Es hat also auch einen ganz persönlichen Bezug, eine Tragik für mich inne. Ich weiß wie beschissen man leidet, auch wenn ich den finalen Schritt nicht ging.
Darüber hinaus sind gar viele meiner Freunde seelisch gebeutelt. Auch gab es Menschen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die sich von der Krake verschlingen ließen. Eine Person explizit durch Erhängen.
Ich bin bei weitem nicht die Einzige, die selbst betroffen ist oder war oder Freunde, Bekannte, Familie auf diese Weise verloren hat. Es gibt da draußen unzählige Betroffene.
Und es gibt viele, die eine gewisse Verbindung, wie und warum auch immer, zu der einen oder anderen Berühmtheit oder deren Werken spürt. Das ist normal. So wie es auch normal ist, diese Verbindung nicht zu haben.
Ich habe verdammt nochmal das Recht zur Betroffenheit. Das geht keinen was an. Das hat mir niemand abzuschreiben. Wen Mitgefühlsbekundungen und Betroffenheitsstatements nerven, der scrollt eben weiter und hält die Klappe. Ganz einfach.
Danke.
Na da triffst du gerade einen wunden Punkt bei mir. Bin nämlich unlängst… nun ja… ein bisschen laut geworden, als das Gespräch auf Chester Bennington kam und es lapidar hieß: „Selbst schuld, wenn der sich umbringt. Er hatte doch alles.“ Nein, ich kannte Bennington nicht persönlich, ich habe nur seine Musik gehört. Und doch trifft mich sein Tod. So sehr, dass ich Linkin Park derzeit nicht hören kann/mag. Punkt.
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Ich konnte ihn bis zu Deinem Blog auch nicht zuordnen, doch dann war ich ehrlich betroffen., als die Verbindung da war. Jeder Mensch, der dermaßen verzweifelt ist, dass er den Tod vorzieht, verdient unsere Trauer. Nicht jeder hat zeitlebens die Kraft immer wieder aufzustehen. Es tut mir um jeden von ihnen leid, die Familie ebenfalls. Und wer das nicht nachvollziehen kann, der sollte trotzdem den Respekt zollen und einfach mal die Fresse halten. Da gebe ich Dir völlig recht. Depressiv zu sein bzw. manisch depressiv ist eine furchtbare immer noch unterschätzte Krankheit.
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Vielen Dank für den Beitrag, ich bin absolut der gleichen Meinung. Es hat mich oft wütend gemacht, wenn andere sauer wurden, weil man Anteilnahme gezeigt hat, wenn es wieder einen Terroranschlag gab. (Zum Beispiel bei Facebook in Form von Profilbildern mit Flaggenbackground… usw.) Da kam so viel Hass auf, das kann ich einfach nicht verstehen. Wie kann man so viel Hass gegen Solidarität haben? Ich glaube es ist oft so, dass sie vielleicht verletzt sind, weil bei einem persönlichen Ereignis in ihrem Bekanntenkreis natürlich nicht so viel Wirbel gemacht wird und nicht so viele ihr Beileid bekunden. Ich kann mir vorstellen, dass das wehtut wenn man dann sieht, wie viel für andere getrauert wird, die man nicht mal richtig kannte. Aber man trauert ja nicht nur um ihn, sondern in dem Moment um alle, die so aus dem Leben geschieden sind. Mit Terror verhält es sich ähnlich, man betrauert alle, die so sterben mussten. Du hast Recht. Man darf betroffen sein, in dieser Welt gibt es schon so viel Hass und Wut…. warum darf man nicht betroffen sein? Das ist okay und so richtig.
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